Das Leben in Vereine kehrt zurück
Wolmirstedter Vereine finanzieren ihre Arbeit selbst. Doch wie lässt sich in der Corona-Pandemie Geld verdienen, wie sehr schlagen die Folgen der Kontaktbeschränkungen zu Buche?
Mia Kleinau hat ein großes Ziel: „Ich möchte bei Olympia 2032 starten.“ Dafür trainiert die zwölfjährige Wolmirstedterin hart. Viermal pro Woche ist sie auf dem Mittellandkanal bei Elbeu unterwegs. Zwei Trainer helfen ihr, dieses Ziel zu erreichen. Lutz Neumann und Björn Jakob gehören seit jeher zu den sportlichen Motoren des Wolmirstedter Kanuvereins.
Doch Herzblut und Durchhaltevermögen allein genügen nicht. Mia und die anderen Kanuten benötigen Boote, Paddel, Knieblöcke und außerdem müssen auch die Starts und Fahrten zur Regatta finanziert werden. Allein das Boot, in dem Mia trainiert, kosten weit über tausend Euro. Obwohl es nur so schmal, wie eine Regenrinne ist.
Verkauf im Zelt füllt die Vereinskassen
Damit Kinder und Jugendliche optimale Trainingsbedingungen und auch bei Wettkämpfen gute Chancen haben, steht neben den Trainern ein ganzes Team Erwachsener parat. Der Verein um den Vorsitzenden Swen Kleinau sowie viele andere Helfer sorgen für volle Vereinskassen. Sie bauen beim Adventsmarkt oder anderen Festen der Region ein großes Zelt auf, verkaufen Kuchen, Würstchen, Sprudelwasser, zapfen Bier. Die Einnahmen kommen vor allem der Jugendförderung zugute.
Doch wie kann ein Verein leben, wenn es wegen der Corona-Pandemie keine Feste gibt, am Mittellandkanal keine publikumsstarken Veranstaltungen möglich sind? „Es gibt ja wegen Corona auch keine Regatten“, sagt Swen Kleinau, „damit fallen auch die Ausgaben weg.“ Dazu können sich die Kanuten auf zuverlässige Sponsoren stützen, die Mitgliedsbeiträge tragen ebenfalls zum Fortbestand des Vereinslebens bei. Und noch etwas spielt den Kanuten in die Karten: Der Wolmirstedter Kanuverein ist Landesleistungsstützpunkt. Das heißt, es fließen Landesgelder in die Kassen der Wassersportler.
Der Status als Landesleistungsstützpunkt bescheinigt Trainingsqualität, doch die ganz großen Erfolge feiern die Sportler letztlich jenseits des Mittellandkanals. Jüngstes Beispiel ist Felix Gebhardt, der gerade bei den Junioreneuropameisterschaften Bronze und beim Weltcup in Sibirien eine Silbermedaille im Zweiercanadier zusammen mit Peter Kretschmar gewonnen hat.
Erfolge werden jenseits von Elbeu gefeiert
Der Weg des 24-Jährigen dahin begann ebenfalls beim Elbeuer Kanuverein, doch weil er das Zeug zum Weiterkommen hatte, wechselte er nach Magdeburg, besuchte die Sportschule, trainiert beim SCM. Bereits als 14-Jähriger wurde er in Köln Deutscher Meister, wurde dafür 2011 vom damaligen Wolmirstedter Bürgermeister Hans-Jürgen Zander sogar mit dem silbernen Stadttaler geehrt, weil er dazu beitrug, Wolmirstedt bundesweit bekannt zu machen.
Auch Mia Kleinau wird Wolmirstedt verlassen. Sie wird zur Sportschule nach Potsdam wechseln, die siebte Klasse dort beginnen, sich unter den Fittichen hauptamtlicher Trainer entwickeln. „Mia ist die siebte, die wir nach Potsdam abgeben“, sagt Trainer Lutz Neumann nicht ohne Stolz.
Zuletzt haben die Kanutinnen Maike Jacob und Lenia Schröter das Familienleben gegen das Internatsleben getauscht. „Drei Wochen hatte ich Heimweh, dann war es gut“, blickt Maike Jakob auf die Anfänge zurück. Lenia Schröter hatte sich quasi sofort eingelebt. Seither stellen sie sich internationaler Konkurrenz. Maike wurde Achte bei den Juniorenmeisterschaften in Poznan, will im September in Portugal starten. Lenia strebt den Deutschen Meisterschaften in Hamburg entgegen. Für Neuling Mia haben die 15-jährigen Mädchen nur eine Empfehlung: „Nimm genug Wäsche mit.“
Drei Jahre dauert es, bis Kanusportler sicher unterwegs sind, im Boot das Gleichgewicht halten können, mit nur einem Paddel nicht im Kreis fahren. Den Kindern, aber auch den ehrenamtlichen Trainern in Elbeu wird viel Zeit und Geduld abverlangt. Wie war das während der Pandemie, haben sie die Ruhe der trainingslosen Zeit genossen, Schlussfolgerungen für ihr Ehrenamt gezogen, vielleicht überlegt, künftig Rasenmähen als einzige Freizeitbeschäftigung zu betrachten?
„Nein“, sagt Lutz Neumann, „wenn der Erfolg kommt, macht es wieder Spaß. Dann fährt man auch wieder hoch.“ 30 Kinder und Jugendliche sind mit den Corona-Lockerungen wieder auf den Mittellandkanal zurückgekehrt.